Ruhig liegt das Schiff im tiefblauen Wasser, daneben gewaltige Klippen und Wasserfälle. Hier in den Fjorden Norwegens scheint die Welt still zu stehen. Doch die Ruhe trügt: Der Dieselmotor startet, das Kreuzfahrtschiff setzt sich in Bewegung – und es wird laut. Nicht nur Lärm stört die Idylle, das Schiff stößt auch zahlreiche Abgase aus.
Sie stauen sich oft tagelang zwischen den hohen Bergen, bedeuten Gestank und Gefahren für die Gesundheit der Anwohner. Genau deshalb will Norwegens Regierung die schmutzigen Schiffe bald aus den Fjorden verbannen – und durch umweltfreundliche Modelle ersetzen, etwa mit Elektroantrieb. Leise und emissionsfrei sollen sie künftig an den schneebedeckten Bergen vorbeiziehen.
Nicht nur in Norwegen sind konventionelle Schiffsantriebe umstritten: Der weltweite Schiffstransport ist für knapp 2,5 Prozent der gesamten Emissionen von Treibhausgasen verantwortlich, so die Internationale Seeschifffahrts-Organisation. Er verursacht eine Milliarde Tonnen CO2 – jährlich. Darunter leiden besonders Bewohner von Hafenstädten wie Hamburg oder Rotterdam. Eine Lösung könnten Schiffe mit Elektro- oder Hybridantrieb sein. Doch kann diese Revolution wirklich gelingen?
Schiffe transportieren etwa 80 Prozent der weltweiten Handelsgüter, berichtet die Konferenz für Handel und Entwicklung der Vereinten Nationen. Und der Transport übers Wasser wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen – bis 2022 um jährlich 3,8 Prozent. Allerdings verursachen Schiffe jede Menge Abgase: Neben Schwefeloxiden, Stickoxiden, Rußpartikeln und Feinstaub auch Kohlendioxid (CO2). Ein einziges großes Schiff stößt so viel CO2 aus wie 70.000 Autos, so viel Stickoxid wie 2 Millionen Autos und Feinstaub sowie krebserregende Partikel wie 2,5 Millionen Autos, haben die Marktforscher von IDTechEx One errechnet. Damit verursachen Schiffe allein 18-30 Prozent der globalen Stickoxidemissionen.
Die meisten Container- und Kreuzfahrtschiffe, Öltanker und Frachter werden noch mit schwerem Dieselöl betrieben. Und ihr Verbrauch ist riesig: Die weltweit 90.000 Schiffe verbrennen zusammen 370 Millionen Tonnen Treibstoff im Jahr – und produzieren dabei 20 Millionen Tonnen Schwefeloxid. In der Binnenschifffahrt wird hingegen Schiffsdiesel als Treibstoff verwendet, der bei der Verbrennung weniger schadet als Schweröl. Doch auch hier gelangen gefährliche Stickoxide an die Luft. Die Abgase haben verheerende Folgen für die Umwelt: Das Weltklima verändert sich, die Meere versauern. Es drohen Gefahren für die Gesundheit – von Asthmaerkrankungen bei Kindern bis hin zu vorzeitigen Todesfällen.
Das Problem wird sich verschärfen, wenn konventionelle Energieträger weiter genutzt werden wie bisher. Dann könnten die Luftverschmutzungen bis ins Jahr 2050 mindestens um die Hälfte steigen, im schlimmsten Fall sogar um bis zu 250 Prozent. Auch eine Studie des EU-Parlaments geht davon aus, dass der Schiffsverkehr bis 2050 für fast ein Fünftel des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich ist. Das gefährdet die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens, das eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad vorsieht.
Die Internationale Seeschifffahrts-Organisation hat deshalb im April 2018 beschlossen, die Emissionen drastisch zu reduzieren. Die 173 Mitgliedsstaaten der UN-Organisation wollen den CO2-Ausstoß der Schiffe bis 2050 im Vergleich zu 2008 mindestens halbieren. Seit März 2018 muss der Kraftstoffverbrauch aller Schiffe und damit auch der Abgasausstoß protokolliert werden. Seit dem Jahr 2020 darf außerdem nur noch Treibstoff verfeuert werden, der höchstens 0,5 Prozent Schwefel enthält. Aktuell beträgt der Grenzwert das Siebenfache.
Damit der ehrgeizige Plan gelingt, ist Umdenken erforderlich. Doch welche Möglichkeiten gibt es, um Emissionen zu verringern? Verschiedene: Schiffe könnten etwa Katalysatoren einbauen, ähnlich wie im Auto. Diese spalten schädliche Stickoxide in Stickstoff und Sauerstoff, ein Rußfilter hält Partikel zurück. Oder die Schiffe tanken Marine-Diesel, statt extrem schmutzigem Schweröl. Marine-Diesel enthält deutlich weniger Schwefel – aber ist auch viel teurer. Beide Möglichkeiten haben zudem einen entscheidenden Nachteil: Sie setzen auf einen Verbrennungsmotor und damit auf fossile Brennstoffe. Doch das Erdöl, aus dem Diesel gewonnen wird, könnte beim derzeitigen Verbrauch in 50 Jahren aufgebraucht sein.
Effizienter und sauberer ist deshalb der Einsatz anderer Energieträger – wie Flüssiggas (LNG), Wasserstoff oder elektrische Energie. Gerade elektrische Antriebssysteme gelten nicht nur an Land und in der Luft als zukunftsfähig. Die umweltschonende Alternative zum Öl bietet sich in der Binnenschifffahrt oft schon heute an – und in weiterer Zukunft auch für Seeschiffe. Ein Vorteil des Batteriebetriebs: Strom ist deutlich günstiger als Öl und vor allem günstiger als Marine-Diesel. Aus diesem Grund wird der Absatz für vollelektrische und hybride Schiffe weltweit wachsen, prophezeien die Analysten von IDTechEx. Im Jahr 2027 könnte er bei 20 Milliarden Dollar liegen.
Viele tausend Jahre lang wurden Schiffe vom Wind angetrieben. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts übernahmen zunehmend Motoren diese Aufgabe. Nach Erfindung von Dampfmaschinen und -turbinen kamen im 20. Jahrhundert Dieselmotoren in verschiedenen Bauformen hinzu. Sie verbrennen fossile Brennstoffe – Dieselkraftstoff, Schweröl, Gasöl. Traditionell ist diese Antriebsart mechanisch: Der Dieselmotor treibt direkt eine Welle an, die dann die Schiffsschraube bewegt. Der Motor oder ein Generator erzeugen außerdem den Strom für alle elektrischen Anlagen auf dem Schiff.
Doch schon seit einigen Jahren sind viele Schiffe teilweise elektrifiziert: 80 Prozent der Hochseeschiffe fahren heute mit einem sogenannten dieselelektrischem Antrieb. Dieselgeneratoren erzeugen den Strom, der anschließend einen Elektromotor antreibt. Dieser bewegt wiederum die Schiffsschraube. Das hat viele Vorteile: Zwischen fünf und 20 Prozent Brennstoff lässt sich einsparen. Die elektrischen Maschinen bestehen zudem aus weniger Bauteilen, sind weniger störanfällig und haben weniger Verschleiß. Das bedeutet: geringere Energieverluste, höherer Wirkungsgrad. Ein Hybridantrieb ist das aber noch nicht. Das ist erst der Fall, wenn das Schiff zumindest eine bestimmte Zeit ohne laufenden Dieselmotor fahren kann. Die Energie kommt dann von Batterien an Bord. In Zukunft könnte der Elektromotor auch auf andere Art mit Energie versorgt werden: zum Beispiel mit Akkus, verflüssigtem Erdgas (LNG) oder mit Solarstrom.
Das erste elektrische Boot fuhr 1839 testweise über die Kanäle von St. Petersburg. Im Jahr 1886 folgte die „Elektra“, ein Versuchsboot von Siemens & Halske. Die Stadt Berlin testete ihren Einsatz im Nahverkehr. Das Boot hatte Platz für 25 Passagiere und fuhr mit 14 km/h die Spree entlang. Doch die Technik war noch nicht ausgereift, die Akkus zu schwer. Die Entwicklung wurde nicht weiter vorangetrieben. 25 Jahre später startete das Elektroschiff „Akkumulator“ auf dem Königsee in Bayern. Hersteller war ebenfalls Siemens. Mit bis zu 38 Personen kam das zwölf Meter lange Boot mit einer Blei-Batterieladung 100 Kilometer weit. Das Konzept ging auf: Noch heute sind die Ausflugsboote auf dem See elektrisch unterwegs. Auch auf dem Rhein fuhr von von 1908 bis 1945 die elektrische Rheinfähre „Godesberg-Niederdollendorf“. In Schweden wurde ab 1913 die Fähre „Hamnfärjan“ eingesetzt, um elektrisch zwischen den Inseln Marstrandsö und Koön pendeln.
Vom Verbrennungsmotor zum emissionsfreien Antrieb – dieser Weg führt über verschiedene Technologien. Wie auch bei Autos, Elektro-Nutzfahrzeugen oder elektrischen Flugzeugen, sind Hybride eine Übergangslösung für Modelle, bei denen ein rein elektrischer Antrieb noch schwierig umzusetzen ist.
Welche Technologien gibt es bereits?
Einige Binnenschiffe sind heute schon rein elektrisch unterwegs, vorwiegend Fähren und Ausflugsboote. Der Grund: Sie fahren kürzere Strecken und kommen deshalb mit kleineren Batterien zurecht. Mehrere Reedereien planen zudem Hybrid-Kreuzfahrtschiffe. Bei großen Frachtschiffen auf den Weltmeeren liegen elektrische Antriebe hingegen noch in weiter Ferne. Die Batterien sind noch zu wenig effizient und zu schwer für Schiffe, die lange Strecken auf hoher See zurücklegen.
Damit sich ein elektrischer Antrieb auf einem Schiff „rechnet“, müssen die Batterien also deutlich leistungsstärker werden. Daran wird gearbeitet: Rolls-Royce hat 2018 mit „SAVe Energy“ etwa ein neues Akkusystem zur Elektrifizierung von Schiffen vorgestellt. Das Unternehmen entwickelt und produziert zwar schon seit 2010 Energiespeichersysteme, die Batterien kamen bislang aber von externen Zulieferern. Das flüssiggekühlte System SAVe Energy soll hocheffizient sein – und besonders flexibel: Es kann in vollelektrischen oder in Hybrid-Schiffen zum Einsatz kommen, in Fähren, Kreuzfahrt- und Frachtschiffen. Bei einem Flüssiggas- oder Dieselmotor unterstützt das System ebenfalls und reduziert die Emissionen. Zunächst wird SAVe Energy an die norwegische Reederei Prestfjord geliefert. Rolls-Royce erwartet einen Schub: Allein im Jahr 2019 könnten Reedereien demnach mehr Akkus einsetzen als in den acht Jahren davor zusammengerechnet.
Es gibt auch andere umweltfreundliche Alternativen zum Diesel: Dazu zählt etwa Flüssiggas (LNG), das bei der Verbrennung weniger Schadstoffe und Kohlendioxid freisetzt. Doch LNG hat auch Nachteile: Zum einen muss eine entsprechende Infrastruktur geschaffen werden, an den Häfen und auf den Schiffen. Zum anderen ist auch Gas ein fossiler Brennstoff – und damit nicht endlos verfügbar. Nicht zuletzt kann zwischen Förderung und Einsatz auf dem Schiff Gas entweichen; der sogenannte Methanschlupf. Methan ist 25mal so klimawirksam wie CO2 und trägt stark zum Treibhauseffekt bei, kritisiert der Bund für Umwelt und Naturschutz (NABU). Derzeit fahren etwa 200 von 50.000 Seeschiffen mit LNG oder bereiten sich darauf vor. Mit der „Aida Nova“ von Aida Cruises ist seit Ende 2018 das erste Kreuzfahrtschiff in Betrieb, das mit Flüssigerdgas angetrieben wird. Auch andere Reedereien planen Cruiser mit LNG-Antrieb. Die US-Reederei Royal Caribbean will künftig zwei Kreuzfahrtschiffe mit Brennstoffzellen einsetzen. Sie verfeuern verflüssigtes Erdgas als Kraftstoff.
Der Technologiekonzern ABB und der Brennstoffzellenhersteller Ballard setzen ebenfalls auf Brennstoffzellen, aber mit einem alternativen, sauberen Antrieb. Sie wandeln chemische Energie aus Wasserstoff in elektrische Energie um. Diese Energie treibt dann einen Elektromotor an. Es findet keine Verbrennung statt, Abgase enstehen nicht. ABB und Ballard wollen die bestehende Technologie auch für größere Schiffe möglich machen. Trotz einer elektrischen Leistung von drei Megawatt und 4.000 PS soll das System nicht größer sein als ein Verbrennungsmotor. Die Unternehmen konzentrieren sich vorerst auf große Passagierschiffe. Einen verlässlichen Zeitplan für das Projekt gibt es allerdings noch nicht. Ballard hat weitere Pläne: Ab 2021 soll die weltweit erste wasserstoffbetriebene Hochseefähre "HySeas III" mit Brennstoffzellen des kanadischen Herstellers zwischen zwei schottischen Inseln pendeln.
Auch Solarboote sind bereits unterwegs: Die Katamarane „SolarWave“ und „Tûranor PlanetSolar“ beziehen ihre Energie über Photovoltaik-Zellen an Bord. Als erstes solarbetriebenes Boot umrundete die „Tûranor PlanetSolar“ 2012 sogar die Welt. Das dauerte knapp 585 Tage.
Damit es in Zukunft mehr elektrische Schiffe gibt, muss vor allem eine Herausforderung gemeistert werden: Die Batterien zum Speichern des Stroms müssen deutlich effizienter arbeiten. Bislang ist ihre Energiedichte noch zu gering. Das heißt, die Akkus können im Verhältnis zu Größe und Gewicht nicht genug Energie speichern. Große Seeschiffe müssen mit einer Akkuladung weite Strecken auf dem Meer zurücklegen – Batterien sind meist noch zu groß und zu schwer.
Zudem brauchen die Häfen eine passende Ladeinfrastruktur. Schon jetzt ist das ein Thema beim sogenannten Landstrom: Kreuzfahrtschiffe, die im Hafen liegen, brauchen für den Hotelbetrieb fortlaufend Strom. Oft erzeugen sie ihn noch mit Motoren und Hilfsaggregaten – und stoßen dabei Emissionen aus. Umweltfreundlicher wäre es, den Strom direkt im Hafen zu beziehen. Solche Landstrom-Einrichtungen gibt es derzeit noch zu selten. Die Häfen müssten für Ladeeinrichtungen deshalb viel Geld investieren. Auch die Batterien sind vielen Reedereien derzeit noch zu teuer. Nach Angaben des DST Entwicklungszentrums für Schiffstechnik und Transportsysteme ist die Batterie bislang das teuerste Bauteil auf einem Elektroschiff.
Bei Fähren und Binnenschiffen ist der elektrische Betrieb dennoch möglich. Sie legen häufig an und können dann Energie tanken – über austauschbare Akkus in Containern oder Batterien, die bei jedem Stopp kurz auf geladen werden, über Nacht komplett.
Schon heute sind einige Hybrid- und vollelektrische Schiffe unterwegs. Wo sind sie zu finden – und welche Strecken schaffen sie bereits?
Die vier Fähren der sogenannten „Vogelfluglinie“ zwischen Deutschland und Dänemark fahren schon mit Hybrid-Technik. Der Antrieb kombiniert Verbrennungsmotor und Elektroantrieb. Nach Angaben der Reederei lassen sich so bis zu 15 Prozent CO2 einsparen. Auch die „Vision of the Fjords“ auf dem norwegischen Nærøyfjord ist ein Hybridschiff: Die Elektrizität für den Antrieb stammt von zum einen von Dieselgeneratoren, zum anderen von Akkus. Diese haben eine Kapazität von 600 kWh. Geladen werden die Akkus unterwegs durch Überschussenergie des Dieselmotors, im Hafen durch sauberen Strom aus Wasserkraft. Das Schiff kann ganze drei Stunden mit dem Strom aus den Batterien fahren.
Das Expeditionsschiff „MS Roald Amundsen“ der norwegischen Reederei Hurtigruten wurde 2019 als erstes Expeditionsschiff mit Hybridantrieb vorgestellt. Lithium-Ionen-Akkus sollen eine mindestens 30-minütige elektrische Fahrt auf hoher See ermöglichen. Vorteil für die Passagiere: Sie gleiten in völliger Stille und ohne Abgase an den Küsten Norwegens und später an den Eisbergen der Antarktis entlang.
Vollelektrisch fahren bislang vor allem Fähren und kleinere Passagierschiffe in Binnengewässern. Sie legen nur kurze Strecken zurück und steuern häufig das Land an. So können die Energiespeicher schneller wieder aufgeladen werden. In Norwegen etwa fährt seit 2015 die weltweit erste Elektro-Autofähre im Liniendienst. Die 80 Meter lange „Ampere“ schippert 34mal pro Tag auf dem Sognefjord zwischen Lavik und Oppedal hin und her. Sie legt jedes Mal sechs Kilometer zurück, nahezu geräuschlos und ohne Abgase. Die Fähre hat Siemens entwickelt, gemeinsam mit dem norwegischen Schiffsbauer Fjellstrand. Sowohl im Schiff als auch an den beiden Häfen sind Pakete mit Lithium-Ionen-Batterien installiert. Jedes davon hat die Kapazität von 1.600 Autobatterien. Bei jedem 10-Minuten-Stopp der Fähre werden die Akkus kurz aufgeladen, über Nacht dann vollständig. Der Strom stammt auch hier aus Wasserkraft. Dank ihrer Aluminium-Leichtbauweise ist die Ampere trotz der elf Tonnen schweren Batterie nur halb so schwer wie eine konventionelle Autofähre. Sie spart eine Million Liter Diesel pro Jahr, die Betriebskosten sind um 80 Prozent geringer. Auch ihre CO2-Emissionen betragen nur fünf Prozent einer konventionellen Fähre.
Ebenfalls eine vollelektrische Fähre verbindet seit Frühjahr 2018 die deutschen Orte Wasserbillig und Oberbillig auf der Mosel. Die „Sankta Maria II“ transportiert 45 Passagiere und sechs Autos. Der Strom wird teilweise von 15 Solarmodulen erzeugt und in zwei Batterieblöcken gespeichert. Sie haben eine Kapazität von 252 Kilowattstunden. Damit kann die Fähre 6,5 Stunden lang fahren. Auch auf anderen Flüssen sind elektrische Fähren unterwegs: Auf der Ruhr in Witten, Deutschland, werden zwei elektrisch betriebene Schiffe eingesetzt, in Berlin fahren seit 2014 die vier Solarfähren „FährBär 1 bis 4“ auf der Spree. Amsterdam will bis 2025 alle dieselbetriebenen Fahrgastschiffe und Fähren von den Grachten im Stadtgebiet verbannen.
In China fährt bereits das erste Containerschiff vollelektrisch – vorerst zur Probe auf dem Perlfluss im Süden des Landes. Bislang ist nur der Einsatz auf Binnengewässern geplant, da das Schiff knapp 80 Kilometer weit kommt. Die 1.000 Lithium-Ionen-Batterien an Bord wiegen 26 Tonnen und leisten 2.400 Kilowattstunden. Auch Norwegen arbeitet am elektrischen Containerschiff: Die „Birkeland“ soll ab den frühen 2020er Jahren Chemikalien und Dünger des Herstellers Yara von dessen Werken zum Hafen in Brevik transportieren. Bislang nutzt das Unternehmen dafür Lkw – bei 40.000 Fahrten pro Jahr. Das Schiff soll 120 Container befördern.
Das niederländische Unternehmen Port-Liner baut ebenfalls vollelektrische Frachtschiffe. Sie sollen auf Binnengewässern unter anderem zum Rotterdamer Hafen fahren. Mit einer Batterieladung können sie ganze 34 Stunden unterwegs sein. Die Akkus befinden sich hierbei in Containern, die am Hafen einfach ausgetauscht werden – so müssen sie nicht direkt aufgeladen werden. Port-Liner will in den kommenden Jahren 15 E-Schiffe für die Niederlande und Belgien produzieren.
Norwegen ist Vorreiter bei der Elektromobilität – nicht nur auf der Straße und in der Luft, sondern auch auf dem Wasser. Seit 2015 fährt die erste elektrische Fähre im Linienbetrieb. Mitte 2018 beschloss die Regierung per Gesetz, dass ab 2026 nur noch Fähren und Schiffe mit Hybrid- oder Batteriebetrieb auf den Fjorden des Landes fahren dürfen. Das stellt Betreiber zunächst vor Herausforderungen, allein den berühmten Geirangerfjord besuchen jedes Jahr 300.000 Kreuzfahrttouristen.
Doch Norwegen hat große Pläne für die elektrische Schifffahrt: Die Ulstein-Werft baut etwa für die Reederei Color Line das weltweit größte Passagierschiff mit einem Hybridantrieb. Mit bis zu 2000 Fahrgästen an Bord soll es in Südnorwegen pendeln. Sobald sich das Schiff dem Hafen von Sandefjord nähert, werden die Dieselmotoren ausgeschaltet. Eine Stunde lang kann das Schiff elektrisch fahren. Der Anbieter Hurtigruten hat einen Vertrag mit Rolls Royce unterzeichnet: Bis zu neun Kreuzfahrtschiffe sollen von Diesel- auf Hybridantriebe umgerüstet werden. Das Verkehrsunternehmen Fjord1 will ab 2020 sieben Fähren mit Elektroantrieb betreiben.
In Zukunft werden also immer mehr Güter, aber auch immer mehr Fahrgäste auf elektrischen Schiffen unterwegs sein. Das steigert zugleich den Bedarf an Leistungshalbleitern. Mit ihnen treibt Infineon die Entwicklung der Elektromobilität auch auf dem Wasser weiter voran. Denn ohne die Leistungshalbleiter im Antriebsstrang könnten Schiffe nicht elektrisch fahren. Verschiedene Hersteller nutzen in ihren Systemen und Motoren zudem sogenannte Umrichter mit Komponenten von Infineon. Diese wandeln den Gleichstrom aus Batterien in Wechselstrom für die Motoren um.
Elektrische und Hybrid-Schiffe brauchen für ihren Durchbruch noch effizientere und leichtere Batterien. Zwar ist die Energiedichte in den vergangenen 30 Jahren deutlich gestiegen – doch das genügt noch nicht, um große Schiffe auf langen Strecken mit Energie zu versorgen. Infineon hilft, dieses Hindernis zu überwinden: Die Akku-Einheiten werden kleiner und leichter, indem die Systemwirkungsgrade besser werden. Außerdem werden sie durch das sogenannte Batterie-Balancing besser ausgenutzt. Das heißt, sie arbeiten effizienter. Das Batterie-Balancing kann die Kapazität und Lebensdauer von Batterien um mehr als zehn Prozent erhöhen.
Entscheidend sind weiter der Aufbau einer Ladeinfrastruktur sowie Technologien für ein schnelleres Laden der Batterien. Auch hier unterstützen Produkte von Infineon: Sie können die Ladezeit deutlich reduzieren, zum Beispiel dank innovativer Materialien wie Siliziumkarbid (SiC). Siliziumkarbid kann höhere Lasten und Spannungen verarbeiten als Silizium – und benötigt dafür weniger Bauraum im System, da die Verlustleistung geringer ist.
Klimawandel, Regulierung, Kosten: Die Schifffahrt muss in den kommenden Jahren auf umweltfreundliche Antriebe umstellen. Fähren und Passagierschiffe werden deshalb zunehmend elektrisch unterwegs sein. Allerdings sind Schiffe jahrzehntelang auf den Gewässern im Einsatz. Frachtschiffe bleiben in der Regel 30 Jahre in Betrieb, Binnenschiffe etwa 45 Jahre, Passagierschiffe oft sogar länger. Bis die Reedereien diese austauschen, vergeht also noch Zeit. Allein innerhalb der EU verkehren derzeit mehr als 7.300 Frachtschiffe. Der niederländische Elektroschiffbauer Port-Liner geht davon aus, dass es rund 50 Jahre dauern würde, bis alle durch E-Modelle ausgetauscht wären – zumindest nach jetzigem Tempo. Auch auf die ersten vollelektrischen Überseeschiffe müssen wir laut Experten noch mindestens 20 Jahre warten. Es geht umso schneller, je besser alternative Antriebe funktionieren. Wenn zudem die Batteriedichte höher wird und Akkus effizienter arbeiten, werden in Zukunft viele Schiffe leise und umweltfreundlich fahren.
In Zukunft treibt Strom also auch die Schiffsschraube an. Aber die Entwicklung geht weiter; als nächstes geht der Kapitän von Bord. Dafür gibt es schon konkrete Pläne: Die Birkeland, das Containerschiff des norwegischen Konzerns Yara, soll zunächst mit kleiner Crew fahren – wenig später automatisiert. Keine 550 Jahre nach Kolumbus, im Jahr 2030, könnte also schon der erste Koloss aus Stahl autonom und elektrisch die Zukunft ansteuern.
Letzte Aktualisierung: Juli 2021